Gedenkbuch 2006

Albert Josephs

Von Benjamin Huppertz und Oliver Panteleit, Herzogenrath

2) Ders. a.a.O. S.120

Albert Josephs wurde im Jahr 1890 als Sohn des Koscherschlachters Max Josephs und dessen Frau Clara in Gangelt, im Kreis Heinsberg, geboren. Er hatte einen älteren Bruder, Karl, der 1916 im 1. Weltkrieg ums Leben kam und zwei jüngere Geschwister, Hugo und Paula.

Zusammen mit seinem Bruder Hugo absolvierte er eine Textilkaufmannslehre in Aachen. Nachdem sie die Lehre abgeschlossen hatten, verkauften sie eine Zeit lang mit dem Motorrad Strumpfwaren, auf den Straßen in und um Gangelt. Gemeinsam eröffneten sie ein Textilwarengeschäft in Gangelt, in der Sittarder Straße. Mitte der 20er Jahre kauften sie ein "stattliches Haus in der Heinsberger Straße"1 und bauten es im Erdgeschoss zu einem großen Kaufhaus um.

Service spielte für die Brüder eine große Rolle, denn sie stellten eigens einen Chauffeur ein, um Kunden aus weiter entfernten Gebieten zum Geschäft bringen zu können. Sie wohnten im ersten Stock des zweistöckigen Gebäudes. Am 5.11.1926 heiratete Albert Frieda Weil aus Alsdorf. 1927 bekam sie einen Sohn namens Karl. Aufgrund von Unstimmigkeiten zwischen Frieda und Hugos Frau ließ Hugo sich seinen Anteil am Geschäft ausbezahlen und Albert wurde alleiniger Besitzer des Unternehmens. Hugo zog nach Castrop-Rauxel.

Aufgrund des Nazi-Regimes, der damit verbundenen Gleichschaltung der öffentlichen Institutionen und antisemitischen Propaganda, ging der Umsatz von Albert Josephs’ Unternehmen, vor allem nach 1935, stark zurück. Musste man nach Ansicht einer seiner Verkäuferinnen, die 1938 selbst einen Textilkaufmann heiratete und mit ihm in Baesweiler ein Textilgeschäft führte, mindestens 100 Mark Umsatz machen, damit das Geschäft eine Familie ernährte, dann kann man ahnen, wie schwierig das Leben mit 300 Mark Umsatz wurde. Die Bevölkerung wurde aber, wie man weiß, beim Einkaufen in jüdischen Geschäften "ermahnt", dies zu unterlassen. Eine andere Verkäuferin des Geschäfts erzählt, dass ihr Bruder, ein Zollbeamter, von Parteimitgliedern eindringlich verwarnt wurde, weil man ihn im Kaufhaus Josephs gesehen hatte. Er hätte bei Wiederholung seine Stelle aufs Spiel gesetzt. Vor dem Bürgermeisteramt wurde stets die neueste Ausgabe des "Stürmers" ausgehangen, die Indoktrination der Bürger war heftig und bedrückend. Dabei war der Kaufmann Josephs ein allseits geachteter Mann; vor allem sein soziales Empfinden für weniger Begüterte zeichnete ihn aus. Eine Zeitzeugin, die mit dem Sohn Karl in einer Klasse war, erzählt, dass er armen, kinderreichen Familien zum Beispiel die Kommunionkleider beziehungsweise -anzüge für die Kinder schenkte.

Für Albert Josephs war es undenkbar Gangelt zu verlassen, da er dort geboren worden war, sich in mühsamer Arbeit eine Existenz aufgebaut hatte und über vierzig Jahre glücklich dort gelebt hatte. Er wollte in Gangelt bleiben und glaubte an bessere Zeiten. In der "Reichskristallnacht", vom 8.11. auf den 9.11.1938, wurde Albert Josephs’ Lebenswerk zerstört. Seine Wohnung sowie das Geschäft wurden verwüstet, Albert selbst sperrte man zusammen mit anderen männlichen Juden ins Verlies des "Heinsberger Tores" (die Gangelter Stadttore sind Reste der mittelalterlichen Befestigung des Ortes, der früher Stadtrechte besaß). Am 10. November 1938 wurde Albert von Wachtmeister König, dem Ortspolizisten, abgeführt und im Gangelter "Spritzenhaus" (der Feuerwehr)eingesperrt. Der Wachtmeister war aber ein Freund der Juden und hoffte, der Inhaftierte könnte fliehen. Josephs tat das nicht und kurz danach kam er, zusammen mit seinem Schwager Emil Hartog, dem Mann seiner Schwester Paula, in das Konzentrationslager Sachsenhausen bei Oranienburg. Am 12. November 1938 wurde Albert jedoch beim Appell herausgerufen und auf Grund einer Intervention eines Freundes seines Schwagers Walter Weil entlassen. Nach Albert Josephs Entlassung wurde sein Geschäft "arisiert". Ein Eschweiler Metzger R., Parteimitglied, "kaufte" Haus, Geschäft und Lagerräume.2 Eine Zeitlang wohnte Familie Josephs noch in dem Haus, das ihm kurz zuvor noch gehört hatte, zur Miete, was ihn sicher sehr gekränkt hat. Der neue Besitzer ließ das Haus durch einen katholischen Priester "einsegnen" (Zeitzeugin Maria van den Eynden, damals Verkäuferin bei Josephs) und kündigte ihnen schon bald; im März 1939 zog die Familie Josephs zusammen mit den Schwiegereltern nach Aachen. Sie hatten ihre Existenz verloren, wovon sie dort lebten (die genannte Zeitzeugin meint, sie hätten in der Zollernstraße gewohnt), weiß niemand mehr.

Am 1. April 1941, als alle Aachener Juden in so genannte "Judenhäuser" eingewiesen wurden, gelangten die Josephs in das ehemalige Obdachlosenasyl am "Grünen Weg". Die Lebensverhältnisse dort waren erniedrigend. Albert Josephs war immer noch optimistisch, dass die schreckliche Zeit bald ein Ende haben müsse. Seine Frau Frieda hatte, als es noch möglich war, zur Emigration gedrängt, doch Albert wollte nicht fort, in eine ungewisse Zukunft. Am 15.6.1942 wurden Frieda Josephs und ihr 15 Jahre alter Sohn Karl mit dem Zug nach Polen deportiert und vermutlich im Warschauer Ghetto ermordet. Über den Verbleib Albert Josephs ist nichts bekannt. Man vermutet, dass er im Warschauer Ghetto ermordet wurde.