Gedenkbuch 2013

Sophia Else Steinweg
Martha Steinweg

Corinna Broeckmann, Aachen

Wir wissen nicht viel über Sophia Else, genannt „Else", Steinweg und ihre Tochter Martha.

Else Steinweg war die Tochter von Sibilla Steinweg, geboren am 8. Juli 1896 in Aachen. Elses Mutter Sibilla war nicht verheiratet. Sie arbeitete als Verkäuferin und starb bereits im Jahr 1936, mit gerade 40 Jahren in Düren. In Aachen hatte Sibilla offenbar zusammen mit anderen Familienmitgliedern der Familie Steinweg in der Promenadenstraße 26 gelebt, die dort eine Metzgerei betrieben.

Else Steinweg wurde am 11. Juli 1915 in Aachen geboren, ihre Mutter war also gerade 19 Jahre alt. Else arbeitete später als Hausangestellte und zog am 2. November 1933 in die Alexanderstraße 123. Nur wenige Monate später, am 4. Juli 1934, kam Elses Tochter Martha zur Welt. Wie ihre Mutter war auch Else ledig und 19 Jahre alt, als ihre Tochter geboren wurde. Es lässt sich denken, dass die Situation lediger Mütter zu dieser Zeit keineswegs einfach war.

Allerdings enden die Informationen über die Zeit von Else und Martha in Aachen hier bereits wieder.

Am 30. Oktober 1941, Martha war gerade sieben Jahre alt, wurde sie zusammen mit ihrer Mutter Else im „Transport Köln II" in das Ghetto Lodz (Litzmannstadt) deportiert. Im Ghetto Lodz waren Mutter und Tochter für etwa sieben Monate in der Maxstraße (oder Platnstraße?) 27/7 untergebracht. Wie es ihnen dort erging, lässt sich nur erahnen. Es ist bekannt, dass die Lebensbedingungen im Ghetto Lodz sehr unmenschlich waren und viele Menschen an Unterernährung litten, an Krankheiten wie Tuberkulose starben oder im Winter erfroren. Häufig mussten die Menschen, die im Ghetto lebten, Zwangsarbeit leisten.

Vom 16. Januar bis Mai 1942 wurden aus dem Ghetto Lodz insgesamt 55.000 Juden und Jüdinnen sowie 5.000 Roma in das Vernichtungslager Kulmhof (Chelmno) deportiert. Die Menschen versuchten, dem Schicksal der weiteren Deportation und des sicheren Todes zu entgehen, indem sie sich bemühten, Ausnahmen von den „Ausreiseaufforderungen" zu erwirken.

Am 30. April 1942, nachdem Else und Martha Steinweg ebenfalls die „Ausreiseaufforderung I 30-31" erhalten hatten, richtete Else einen Brief an die „Aussiedlungs-Kommission" in der Fischstraße 8 des Ghettos und schrieb: „Ich bitte höfl. um die Rücknahme meiner Ausreise-Aufforderung sowie meiner Tochter Martha Steinweg. Seit 15.11.1941 arbeite ich ununterbrochen in dem Kollektiv Köln II als Schäl- und Putzfrau, lt. beiliegender Bescheinigung. [gezeichnet] Else Steinweg"

Beigefügt war eine Bescheinigung des Stellvertretenden Leiters des Transports Köln II mit dem Wortlaut: „Wir bescheinigen hiermit, dass Frau Steinweg, Else mit 15. November 41 als Putz- + Schälfrau tätig ist ohne besondere Vergütung. Frau Steinweg hat stets ihre Pflicht gegenüber unserem Transport erfüllt und bitten wir um Aufhebung der Ausweisung. Getto den 30/4.42 Kollektiv Köln II [gezeichnet] stellv. Leiter"

Einen Aufschub der Abschiebung hätten Else und ihre Tochter allerdings nur bekommen, wenn Elses Arbeit bezahlt worden und sie in einem Wirtschaftsbetrieb tätig gewesen wäre. Als Putz- und Schälfrau erhielt sie jedoch keine Vergütung. Die Kommission, die über die Deportation entschied und vor allem die ‚unproduktiven Esser' aussortieren sollte, nahm die Ausreiseaufforderung nicht zurück. Es muss davon ausgegangen werden, dass die Deportation nach Kulmhof bereits am 4. Mai 1942 erfolgte. Else und Martha Steinweg wurden wahrscheinlich gleich nach der Ankunft im Vernichtungslager Kulmhof ermordet. Else war 26, Martha sieben Jahre alt.

Allgemeine Informationen über das Ghetto Lodz unter http://de.wikipedia.org/wiki/Ghetto_Litzmannstadt Kopien des Briefes von Else Steinweg bzw. der Bescheinigung des Kollektivs Köln II wurden uns freundlicherweise von Herrn Fritz Neubauer, Universität Bielefeld, zur Verfügung gestellt. Informationen von Fritz Neubauer, Universität Bielefeld.