Das furchtbare Schicksal der Familie Pintus

Vater, Mutter und Sohn wurden in Auschwitz ermordet. Dabei war die Familie aus Aachen schon in Sicherheit. Das „Gedenkbuchprojekt“ erinnert.

Aachen. Der Verein "Gedenkbuchprojekt für die Opfer der Shoah aus Aachen e. V." hat sich die Aufgabe gesetzt, an das Leben jüdischer Bürgerinnen und Bürger aus Aachen zu erinnern, die in der Zeit des Nationalsozialismus ermordet wurden. Aus Anlass des 61. Jahrestags der Reichspogromnacht wird im Folgenden der Familie Pintus gedacht. Die biografischen Hinweise stammen von Doris Stiefel geb. Pintus, die in Aachen geboren wurde und heute in den USA lebt.

Dagobert Pintus wurde 1885 in Aachen geboren als Sohn von Moritz Pintus und seiner ersten Frau Rosa geb. Borchard. Sie starb nur wenige Wochen nach der Geburt im Alter von 23 Jahren und wurde auf dem jüdischen Friedhof in Aachen begraben. Dagobert, auch Dago genannt, besuchte die Religions- und Elementarschule der Synagogengemeinde. Sein Vater hatte nach dem Tod seiner ersten Frau Bertha Bernstein geheiratet. Aus dieser Ehe gingen Dagos sechs Halbgeschwister hervor. Gemeinsam mit seinem Halbbruder Richard, der zwei Jahre jünger war als er, machte Dago an der Jacobson-Schule in Seesen, einem jüdischen Internat südlich von Salzgitter, seinen Schulabschluss.

Von 1903 bis 1905 war er Volontär beim Kaufhaus Leonard Tietz AG in Düren und arbeitete für dieselbe Firma von 1905 bis 1907 in Aachen. Seinen einjährigen Militärdienst leistete er in der 6. Kompanie des Füsilier-Regiments Fürst Karl Anton von Hohenzollern Nr. 40 ab, das seinen Standort bis 1910 in Aachen hatte. 1911 arbeitete Dago kurz für eine Importfirma für Wollwaren und Schneidereibedarf mit Sitz in Montreal, Kanada.

Während des Ersten Weltkriegs diente Dago in der deutschen Armee und war Kriegsgefangener in Russland. 1922 heiratete er Zitoni (Toni) Oppenheimer in Frankfurt am Main. Sie wurde 1896 in Limburg an der Lahn geboren und lebte mit ihrer Familie in Frankfurt. Ihr einziges Kind Werner kam 1923 in Aachen zur Welt. Um 1925 emigrierten Dago, Toni und Werner nach Montreal, wo Dago für das International Merchandising Syndicate, nordamerikanischer Repräsentant der Karstadt AG, arbeitete. 1930 zog die Familie nach New York. Dort übernahm Dago die Leitung der amerikanischen Niederlassung dieser Firma und behielt gleichzeitig die Verantwortung für die kanadische Filiale.

Ein Brief aus dieser Zeit deutet an, dass die Familie viele Hoffnungen auf das neue Leben in Amerika setzte. Dann brachte die Weltwirtschaftskrise schwere Zeiten. Dago und seine Familie trafen die schicksalhafte Entscheidung, nach Aachen zurückzukehren, und sie lebten dort für kurze Zeit. 1933, nach der Machtergreifung der Nazis, zogen sie nach Paris, wo Werner zur Schule ging und ausgezeichnete Leistungen zeigte. Dago schlug sich nur mühsam durch. Bei Ausbruch des Krieges wurde die Situation verzweifelt. In einem Brief vom 16. September 1939 an seinen Bruder Richard in England schrieb Dago, dass er kurz vor der Internierung stehe und dass sie mittellos seien. Die Familie lebte für eine Weile in Le Puy und im benachbarten Dardelles im unbesetzten Teil Frankreichs. Toni ging jedoch nach Paris zurück, um sich um ihre Mutter zu kümmern, und wurde dort verhaftet.

Ein Freund lud Dago und Werner ein, zu ihm nach Lyon zu ziehen, was Dago jedoch ablehnte. Der Freund konnte später in die Schweiz flüchten. Dagos Halbbruder Walter Pintus in den USA hatte Dago ein Affidavit, eine Bürgschaftserklärung, geschickt, und im August 1942 versuchte dieser verzweifelt, ein Visum für Amerika zu erhalten, aber ohne Erfolg. Inzwischen war er ohne eine Nachricht von seiner Frau, und sein Sohn war gerade festgenommen worden. Am 24. Dezember 1942 versuchte Dago, die Pyrenäen nach Spanien zu überqueren, wurde allerdings abgefangen und ebenfalls festgenommen. Das weitere Schicksal der Familie: Toni Pintus wurde am 29. Juli 1942 mit Transport Nr. 12 aus dem Internierungslager Drancy in Richtung Auschwitz deportiert. Dort kam sie am 31. Juli 1942 an und wird seitdem vermisst.

Werner Pintus wurde am 14. September 1942 mit Transport Nr. 32 ebenfalls von Drancy nach Auschwitz gebracht. Er erreichte Auschwitz zwei Tage später am 16. September und wurde wahrscheinlich sofort ermordet. Dagobert Pintus wurde am 11. Februar 1943 mit Transport Nr. 47 aus dem Lager Drancy nach Auschwitz deportiert und nach der Ankunft am 13. Februar 1943 ermordet.

Quelle: Aachener Nachrichten, 9. November 2009