Arthur Gottschalk
Bertha Gottschalk geborene Günther
Kurt Gottschalk
Von Dr. Rudolf Wagemann, Stolberg
Die einst stattliche, jüdische Filialgemeinde im Voreifelort Kornelimünster war auch nach 1900 durch den beruflich bedingten Wegzug der jungen Leute stetig weiter geschrumpft.
Im Frühjahr 1914 gab es endlich einmal einen Zugang: Ein frischverheiratetes junges Ehepaar mietete sich im Haus des Metzgers Biervert am Steinkaulplatz ein. Erst kurz zuvor, am 19. März 1914, hatten sich der am 23. Februar 1884 in Geilenkirchen-Hünshoven geborene Viehhändler Arthur Gottschalk und die am 2. September 1882 in Burgen/Mosel geborene Bertha Günther in Brodenbach/Mosel vermählt.
Mit dem Zuzug nach Kornelimünster wollte sich Arthur Gottschalk, aus alter, weit verzweigter Hünshovener Metzger- und Viehhändlerdynastie stammend, eine selbständige Existenz als Viehhändler aufbauen. Vorher waren er und sein Bruder Jacob, der sich in Eilendorf niederließ, im Viehhandel von Vater Salomon Gottschalk tätig, der schon vor 1900 in Aachen ansässig war, zuletzt in der Metzgerstraße 47. Es ist wahrscheinlich, dass Arthur Gottschalk schon im Sommer des Jahres 1914 seine junge Frau verlassen musste, um in den Krieg zu ziehen. Im Jahr 1917 wurde der erste Sohn Herbert geboren. Dass bis heute Geburtsdatum und –ort nicht bekannt sind, könnte seinen Grund darin haben, dass die schwangere Bertha sich mangels Verwandtschaft in Kornelimünster zur Niederkunft in die Obhut ihrer Familie in Burgen begeben hat. Arthur Gottschalk kehrte heil aus dem Feld zurück. Am 22. Juli 1921 wurde der zweite Sohn Kurt in Aachen geboren.
Arthur Gottschalk betrieb mittlerweile zielstrebig den Ausbau seines Geschäftes. Er war ein kräftiger, jovialer Mann, dem das „Geschäftliche“ lag. Zum Einkauf seiner Ware, Nutz- und Zuchtvieh, besuchte er regelmäßig die großen Viehmärkte vom Emsland bis nach Ostpreußen. Die Anlieferung erfolgte am fast neben seiner Wohnung gelegenen Güterbahnhof. Das Schlachtvieh kaufte er in der nahen Eifel.
Obschon der Viehhandel florierte, handelte Arthur auch noch mit damals vielfach von Frauen in Heimarbeit hergestellten Zigarren. Ungefähr ab 1928 hatte Familie Gottschalk eine großzügigere Wohnung in unmittelbarer Nähe der alten Wohnung bezogen.
Als im Jahr 1933 die Nazis an die Macht kamen, erinnerten sich diese sehr schnell daran, dass Arthur auch bei der als „Judenschlacht von 1926“ bekannt gewordenen Prügelei in Kornelimünster mit jungen Nazis mitgemischt hatte und verhafteten ihn kurzzeitig, vermutlich um auch ihm drastisch klar zu machen, was die Juden nun zu erwarten hätten.
Bereits in den ersten Monaten nach der Machtergreifung setzte ein rapider Geschäftsrückgang ein, weil die Molkereigenossenschaften die bei jüdischen Händlern kaufenden Bauern massiv unter Druck setzten. Schon im Jahr 1935 durften beim größten Viehmarkt der Region die jüdischen Händler den Handelsplatz nicht einmal mehr betreten. Das mit viel Geschick aufgebaute Geschäft war am Ende. Es wurde im August 1938 abgemeldet. Allein der kleine Zigarrenhandel blieb.
Bereits vor dem 9. November 1938 dürfte der ältere Sohn Herbert nach Belgien geflüchtet sein. Er ist nämlich nicht unter den am 9./10. November 1938 verhafteten Aachener Juden genannt, obschon er laut der zentralen Anweisung an die örtlichen Gestapodienststellen, dass die Verhafteten "männlich, mittleren Alters, hafttauglich und möglichst gut situiert" sein sollten, den Kriterien entsprochen hätte.
Nach der von Nachbarn bezeugten Nazi-Randale vor dem Haus am Stein-kaulplatz suchten Arthur, Bertha und Sohn Kurt Schutz in der Anonymität der Großstadt Aachen. Dort lebte die Familie in den Jahren 1939,1940 und wohl auch noch im Jahr 1941 im Hause von Metzgermeister Max André am Adalbertsteinweg 154. Auch hier hielt Arthur Gottschalk noch am Zigarrenhandel fest, wohl nicht so sehr fürs Geld als vielmehr für ein wenig Abwechslung im immer stärker eingeschränkten Alltag.
Als Sohn Herbert im Jahr 1945 als US-Soldat in Kornelimünster etwas über das Schicksal von Eltern und Bruder zu erfahren versuchte, war sein Forschen vergeblich. Im Sommer des Jahres 1942 waren seine Lieben vom Lager Hergelsmühle in Haaren über Izbica auf dem Weg in den Tod deportiert worden. Bis heute ist nicht bekannt, in welchem der berüchtigten Todeslager Arthur, Bertha und Kurt Gottschalk ermordet wurden.