Alexander BaumCarolina Baum geborene MarxRegina Baum
Bettina Offergeld, Aachen
Alexander Baum wurde am 26. Juni 1872 in Bauchem-Geilenkirchen geboren. Er war der sechste Sohn von Bernhard Baum und dessen Frau Rachel Cain. Alexander, dessen Rufname Alex war, hatte vier Schwestern. Seine Mutter wird in ihrer Sterbeurkunde Regina Cahen genannt.
Bereits vor dem ersten Weltkrieg führten Alex Baum und seine Brüder Samuel, geboren am 6. Juni 1863, und Joseph, geboren am 15. Juni 1864, unter dem Namen «Gebrüder Baum» einen großen Betrieb. Zu «Gebrüder Baum» gehörten ein Viehhandel, eine Schlachterei und ein Engros-Metzgereibetrieb. Von ehemaligen Nachbarn wird bestätigt, dass «Gebrüder Baum» der größte Betrieb in Geilenkirchen und Umgebung war und einen eigenen Viehtransportwagen mit Pferden sowie einen Fleischtransportwagen besaß. Feste Angestellte hatten die Gebrüder Baum wohl nicht, Viehtreiber wurden je nach Bedarf beschäftigt. Die Viehtreiber hatten die Aufgabe, die von den Baums gekauften Tiere nach Bauchem zu bringen und die von den Gebrüdern verkauften Tiere zu ihren zukünftigen Besitzern zu treiben.
Foto: 50 Jahre Synagoge Geilenkirchen und Bar Mitzwa von Ludwig Baum (1919).Alex: sitzend 1.v.re., Carolina: sitzend 2.v.li., Ludwig: unterste Reihe 1.v.li., Berthold: oberste Reihe 6.v.li., Regina: unterste Reihe 4.v.li.
Kunden und Geschäftspartner der Gebrüder Baum bestätigten im Rahmen des Entschädigungsverfahrens in den 1960er Jahren, dass jeder der Brüder ein angesehener und ehrenhafter Kaufmann gewesen sei. Ihr Geschäft sei das führende Geschäft am Ort gewesen und habe einen sehr guten Ruf gehabt. Die Gebrüder Baum hatten langjährige vertrauensvolle Geschäftsbeziehungen zu den Bauern in der Gegend. Angesichts des langen Bestands des Handelsgeschäfts waren die Qualität offenbar gut und die Preise fair.
Alex heiratete Carolina Marx, Rufname Lina. Carolina wurde als Tochter der Eheleute Leonard Marx und Elisabeth Salmang am 17. Januar 1874 in Nettesheim-Butzheim bei Rommerskirchen geboren.
Carolina gebar drei Kinder. Tochter Regina kam am 24. März 1905 in Bauchem zur Welt, Sohn Ludwig wurde anderthalb Jahre später am 11. August 1906 ebenfalls in Bauchem geboren und Berthold exakt drei Jahre später am 11. August 1909, ebenfalls in Bauchem. Alex und Carolina Baum wohnten mit ihren Kindern in Geilenkirchen, Sittarder Straße 19, im eigenen Haus mit Garten. Die Familie hatte ein Dienstmädchen.
Im gesamten ersten Weltkrieg war Alex Baum als Landsturmmann eingesetzt.
Als die Söhne der «Gebrüder Baum» alt genug waren, um im Betrieb mitzuarbeiten, teilten die Brüder Alex, Samuel und Joseph Baum ihren Betrieb untereinander auf, denn man war sich darüber einig, dass die Leitung eines großen Betriebes mit mehr als drei Personen schlecht möglich sei.
Die Aufteilung des Geschäfts fand wahrscheinlich im Jahr 1926 statt, denn in diesem Jahr nahm Alexander Baum seinen Sohn Ludwig Baum als Teilhaber in seinem Betrieb auf.
Nach der Aufteilung führte Alex Baum den Viehhandel weiter. Samuel Baum fiel die Großschlachterei mit eigenem Gehöft und eigenen Stallungen zu, und Joseph übernahm die Metzgerei, zu der ebenfalls ein Gehöft mit Stallungen gehörte.
Foto Dateiname Baum-Alexander-2: Regina mit ihren Eltern Alex Baum und Carolina Baum (1928)
Die einzelnen Grundstücke der Brüder lagen im Übrigen direkt nebeneinander, und es ist davon auszugehen, dass Alex bei Bedarf die Stallungen der Brüder nutzen konnte.
Im Wiedergutmachungsverfahren sagten Zeugen aus, dass Joseph noch ein Grundstück, welches 200 Meter von den anderen Grundstücken entfernt war, besaß, dass es jedoch bei den nebeneinander liegenden Grundstücken schwierig zu sagen ist, wem welche Stallungen und welcher Grund und Boden gehörten.
Auch wenn die Geschäftsfelder nun aufgeteilt waren, die Brüder arbeiteten weiterhin so eng zusammen, dass es für Außenstehende gar nicht unbedingt ersichtlich war, dass nun drei unterschiedliche Betriebe geführt wurden. Von Geschäftspartnern der Brüder Baum wird zudem berichtet, dass sich alle Viehhändler und Landwirte in und um Geilenkirchen herum, jüdische und nicht jüdische, zumindest bis 1933 ganz selbstverständlich untereinander mit den Viehtransportwagen aushalfen.
Alexander Baum kaufte Nutzvieh auf den Märkten in ganz Westdeutschland und verkaufte dieses Vieh an die Landwirte in und um Geilenkirchen. Von diesen kaufte er deren Schlachtvieh und verkaufte es weiter an die Schlachthöfe. Man kann sich also gut vorstellen, dass Alexander Baum einen großen Teil der Woche auf Reisen verbrachte.
Ludwig Baum, dessen heutiger Name Jehuda Baum ist, erlernte den Beruf des Viehhändlers von seinem Vater und arbeitete, nachdem er die Schule abgeschlossen hatte, seit seinem fünfzehnten Lebensjahr im Geschäft des Vaters, zunächst als Angestellter und ungefähr im Jahr 1926 mit 20 Jahren als dessen Teilhaber. Auch die Viehhandlung Alexander und Ludwig Baum war zu der Zeit eine der größten in der Umgebung. Es stand zu diesem Zeitpunkt bereits fest, dass Ludwig nach dem Tod des Vaters das Geschäft und das Wohnhaus übernehmen würde. Berthold erinnert sich daran, dass Ludwig «[…] immer nach eigenem Gutdünken beim Ein- und Verkauf handeln konnte und niemals die besondere Erlaubnis des Vaters dafür benötigte.»
Alexander Baum und Sohn Ludwig waren also bis 1933 Eigentümer eines sehr gutgehenden Viehhandels. Betrieb und Betreiber waren hoch angesehen. Nach den Boykottmaßnahmen gegen jüdische Geschäfte ging es dem Betrieb jedoch nach und nach immer schlechter.
Ludwig wanderte daraufhin im Mai des Jahres 1933 aus der Sittarder Straße in Geilenkirchen über Holland und England nach Palästina aus. Er lebte mit seiner Familie in Haifa, Israel.
Alex Baum versuchte zunächst den Betrieb alleine weiterzuführen.
Mit Schreiben von 21.12.1936 wurde Alex Baum jedoch vom Landrat von Geilenkirchen die Fortführung des Gewerbebetriebes wegen Unzuverlässigkeit untersagt, die Schließung der Geschäfts- und Betriebsräume verfügt sowie die Legitimationskarte entzogen. Dagegen hat Alex Baum mit Hilfe des Rechtsanwalts Karl Löwenstein aus Aachen mit Datum vom 31.12.1936 Beschwerde eingelegt. Wir haben keine Kenntnis darüber, ob und wie über diese Beschwerde entschieden wurde. Bekannt ist jedoch, dass mit der Verordnung vom 25. Januar 19379 Viehhändlern die Weiterführung ihres Gewerbebetriebes untersagt wurde, wenn die erforderliche Zuverlässigkeit nicht vorlag. Das Vorgehen, kurz vor Erscheinen des o.g. Gesetzes, die Zuverlässigkeit alteingesessener jüdischer Viehhändler plötzlich in Frage zu stellen, ist auch aus anderen Gegenden bekannt.
Es wird vermutet, dass damit das Geschäft nicht weitergeführt werden konnte, dass so der Familie Baum jegliche Lebensgrundlage entzogen wurde. Alex Baums Geschäft wurde, soweit bekannt, von keinem anderen Viehhändler weitergeführt, und das zum Viehhandel gehörende Land wurde verkauft.
Sohn Berthold besuchte das Realgymnasium in Aachen und machte dort sein Abitur. Anschließend studierte er neun Semester Chemie an der Technischen Hochschule in Aachen. Der Abschluss seines Chemiestudiums wurde ihm jedoch verwehrt. Berthold wanderte daraufhin im Juni des Jahres 1937 aus. Mit dem Zug fuhr er von Geilenkirchen nach Amsterdam und von dort aus mit dem Schiff nach Ecuador. Seine nicht-jüdische Ehefrau Doris geborene Maus und seine am 22. Februar 1933 geborene Tochter Margarete wanderten im November 1937 aus. Sie fuhren mit dem Zug von Geilenkirchen nach Hamburg, von dort aus mit dem Schiff nach Panama und Ecuador. Die Familie überlebte die Shoah in Ecuador.
Ab Mai 1938 wohnte Alexander Baum mit seiner Ehefrau Carolina und der 33-jährigen Tochter Regina, die Jina genannt wurde, in Aachen. Ob sie dorthin gebracht wurden oder ob sie dorthin geflohen sind, ist uns nicht bekannt. Sie lebten in Aachen zunächst gemeinsam in der Hindenburgstraße 3.
Das Wohnhaus, in dem die Familie Alex Baum gelebt hatte, wurde im Jahr 1939 ebenfalls unter dem Druck der damaligen Verhältnisse verkauft.
Die Eheleute Baum wurden dann später im israelitischen Altenheim Aachen in der Horst-Wessel-Straße interniert.
Regina Baum hatte zu dieser Zeit eine Wohnung in der Viktoriaallee 16.
Nach eidesstattlicher Aussage eines Mitglieds der jüdischen Kultusgemeinde in Aachen mussten Alexander Baum, seine Frau Carolina und deren Tochter Regina den Judenstern ab seiner Einführung am 19. September 1941 bis zu ihrer Deportation tragen.
Die Eheleute Baum wurden am 25. Juli 1942 von Aachen aus mit Transport VII/2 nach Theresienstadt deportiert. Auf der Zugangsliste des Ghettos Theresienstadt erhielt Alexander Baum am 26.7.1942 die Nummer 9, Carolina ist dort als Karoline Baum aufgeführt und erhielt die Nummer 11.
Alexander Baum ist auf dieser Liste als verstorben markiert. Wie vom Internationalen Roten Kreuz bestätigt, blieb Alex Baum in Theresienstadt, als sein Todesdatum ist der 30. März 1944 angegeben.
Carolina Baum wurde am 15. Mai 1944 mit Transport Dz von Theresienstadt nach Auschwitz deportiert. Sie wurde dort in das Theresienstädter Familienlager eingewiesen und wahrscheinlich später in den Gaskammern von Auschwitz ermordet.
Regina Baum wurde kurz vor ihren Eltern am 15. Juni 1942 von Aachen nach Polen deportiert und ist vermutlich ebenfalls in Auschwitz ermordet worden.
Regina und ihre Mutter wurden durch Beschluss des Amtsgerichts Geilenkirchen mit Wirkung vom 31.12.1945 für tot erklärt.
Bettina Offergeld
Aachen im Mai 2018