Gedenkbuch 2013

Hilda Borkowski geborene Heumann
Simon Borkowski
Ingeborg Lisette Borkowski

Jutta Kreus-Barth und Bruno Kreus, Aachen

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Foto: Hilda Borkowski, rechts (privat)

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Foto: Ingeborg Borkowski (privat)

Hilda kam als älteste Tochter von Netta und Adolph Heumann am 3. Februar 1908 in Brand zur Welt. Sie wuchs zusammen mit ihrer drei Jahre jüngeren Schwester Erna auf. Die Eltern betrieben in Brand einen Hof mit Landwirtschaft und Viehhaltung.

Familie Heumann lebte in guter Nachbarschaft. Die Töchter Hilda, die auch Hilde genannt wurde, und Erna besuchten die Volksschule in Brand und hatten dort auch ihren Freundeskreis.

Am 4. Mai 1930 heiratete Hilda in Brand den am 7. Dezember 1903 in Baku geborenen Simon Borkowski. Ihre Tochter Ingeborg Lisette wurde am 15. Oktober 1935 in Brand geboren. Hildas Schwester Erna heiratete im Jahr 1937 und zog mit ihrem aus Köln stammenden Ehemann Adolf Heumann in dessen Heimatstadt. - Die Gleichheit von Vor- und Nachnamen von Schwiegervater und Schwiegersohn ist äußerst ungewöhnlich, jedoch zufällig.

Hildas Vater Adolph war bereits im Jahr 1931 bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Hilda lebte zusammen mit Töchterchen Ingeborg, die Inge genannt wurde, im Elternhaus und half ihrer Mutter besonders nach dem plötzlichen Tod des Vaters bei den anfallenden Arbeiten. Ihr Ehemann Simon Borkowski arbeitete als kaufmännischer Angestellter außerhalb von Aachen, vermutlich in Düsseldorf, wo er während der Woche wohnte.

Aufgrund der politischen Situation zogen sich die Familien Heumann und Borkowski zusehends zurück. Eine im Hause wohnende gehbehinderte ehemalige Hausangestellte der Familie, Louise Hein-Lyon, nahm die kleine Inge zu Spaziergängen und Besuchen bei Bekannten mit, die in der Kleinbahnstraße wohnten. Dort spielte Inge häufig mit einem gleichaltrigen Mädchen. Ein Denunziant hatte dies der Behörde mitgeteilt. Daraufhin erhielt die Mutter des Mädchens eine Vorladung zur GESTAPO in Aachen. Dort wurde ihr vorgehalten, dass ihre Tochter mit einem Judenkind spiele. Um weiteren Schwierigkeiten aus dem Wege zu gehen, sei dies sofort zu unterlassen. Andere Zeitzeugen erinnern sich, dass Inge häufig im Vorgarten gestanden habe und den Schulkindern wehmütig nachschaute. Sicher wäre sie gerne mit ihnen in die Schule gegangen. Sie war jedoch weitgehend von anderen Kindern isoliert.

Simon Borkowski wurde in Verbindung mit einer Anklage der Staatsanwaltschaft Düsseldorf verhaftet. Wann dies war, was dies für eine Anklage war und ob sie begründet war, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Später, am 27. Oktober 1941, wurde er von Düsseldorf aus in das Ghetto Litzmannstadt (Lodz) deportiert. Aus dem Ghetto gibt es noch ein Lebenszeichen von Simon Borkowski. Dabei handelt es sich um eine Bescheinigung, die er benötigte, um eine Abschiebung in das Vernichtungslager Kulmhof (Chelmno) zu verhindern.

Vom 16. Januar bis Mai 1942 wurden aus dem Ghetto Litzmannstadt insgesamt 55.000 Juden und Jüdinnen sowie 5.000 Roma in das Vernichtungslager Kulmhof deportiert. Um diesem Schicksal der weiteren Deportation und des sicheren Todes zu entgehen, bemühte sich auch Simon Borkowski darum, eine Ausnahme von der „Ausreiseaufforderung" zu erwirken.

„Wir bescheinigen, dass BORKOWSKI SIMON, Fischstr. 21, bei uns seit dem 8.XI.1941 als Tageloehner beim Geleisebau beschaeftigt ist. Sein Lohn betraegt Mk. 3,- taeglich. Vom 29.3. bis zum 30.4.42 hat er brutto Mk. 57,- verdient.

Diese Bescheinigung wird ausgefolgt zwecks Vorlegung bei der Aussiedlungs-Kommission.

[Stempel] Der Aelteste der Juden. In Litzmannstadt. Elektrische-Straßenbahn-Getto"

Der Antrag auf Rückstellung von der „Aussiedlung" wurde jedoch offenbar negativ beschieden. Am 13. Mai 1942 wurde Simon Borkowski in das Vernichtungslager Kulmhof deportiert und dort am 14. Mai 1942 ermordet.

Hilda wurde zusammen mit ihrer fünfjährigen Tochter Inge und ihrer Mutter Netta am 25. Juli 1941 aus ihrem Haus in Brand geholt und ins Lager Hergelsmühle gebracht.

Am 15. Juni 1942 folgte die Deportation der im Lager lebenden Juden nach Izbica.

Hildas Schwester Erna war zusammen mit ihrem Ehemann von Berlin aus am 28. Mai 1941 ausgewandert. Erna führte in der Zeit von 1941 bis 1943, als sie in Shanghai lebte, ein Tagebuch: „[] Heute, November den 16. [1942], wir erhalten die ersten Nachrichten von den lieben [Schwieger-] Eltern in Köln. [] Das was ich schon immer befürchtet hatte, ist wahr geworden, liebe Mutter, Hilde und kleine Inge sind fort, wohin ich kann es nicht weiter schreiben. Ich bin so beunruhigt über sie. Endlich am 12. Dezember 1942 erhielten wir Neuigkeiten von unseren Lieben. Louise [die ehemalige Hausangestellte der Familie] schreibt, daß unsere liebe Mutter, Hilde und die kleine Inge in Polen sind. [] Unsere Gedanken sind mit unseren Lieben, jeden Tag und jede Nacht, wie es ihnen wohl geht. Bis jetzt haben uns keine Neuigkeiten von Polen erreicht für irgendjemand hier. Wir haben sofort geantwortet und jeden Tag auf Informationen gewartet. Wir bekamen Neuigkeiten vom lieben Walter ein paar Wochen später. Die Neuigkeiten waren immer noch gut, da unsere Lieben nach wie vor dort waren. []"

Getötet wurden Hilda, Inge Borkowski und die Großmutter Netta Heumann wahrscheinlich im Vernichtungslager Sobibor.

Hilda, Inge und Simon Borkowski wurden durch Beschluss des Amtsgerichtes Aachen vom 1. April 1949 für tot erklärt. Als Zeitpunkt des Todes ist der Tag des Kriegsendes, der 8. Mai 1945, festgelegt worden.

Fotos: - Hilda Borkowski (rechts) mit Schulfreundin Maria Pelzer. (privat, mit freundlicher Genehmigung von Bruno Kreus) - Erna Heumann mit Ingeborg Borkowski (privat, mit freundlicher Genehmigung von Joanne Heuston, Iowa, USA) - Netta Heumann mit Ingeborg Borkowski (privat, mit freundlicher Genehmigung von Joanne Heuston, Iowa, USA)

Vergleiche die Biographie von Netta Heumann in diesem Band. Bericht der damaligen Spielgefährtin von Inge, die nicht genannt werden möchte. Allgemeine Informationen über das Ghetto Lodz unter http://de.wikipedia.org/wiki/Ghetto_ Litzmannstadt Eine Kopie der Bescheinigung wurde freundlicherweise von Herrn Fritz Neubauer, Universität Bielefeld, zur Verfügung gestellt. Informationen des Bundesarchivs. (http://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/directory.html.de ?result#frmResults)