Edith Frank geborene Holländer
Julia Schmidt und Monja Knuben, Herzogenrath
Am 16. Januar 1900 wurde den Eheleuten Rosa Stern und Abraham Holländer in Aachen eine Tochter namens Edith geboren1. Edith hatte schon zwei ältere Brüder, Julius (1894) und Walter (1897) sowie eine ältere Schwester namens Bettina (1898)2. Die Familie Holländer war wohlhabend und assimiliert jüdisch.3 Der Name der Familie verweist in die Niederlande, denn ihr Vorfahren lebten zu Beginn des 18. Jahrhunderts in Amsterdam.4
Der Vater besaß einen Altmetallhandel und mehrere Metallverwertungsbetriebe, er war ein erfolgreicher Kaufmann und in der Umgebung Aachens bekannt.5 Abraham Holländer war ein bekanntes Mitglied der jüdischen Gemeinde in Aachen und Ediths Bruder Julius sang im Synagogenchor.6 Aus Annes Tagesbuch weiß man (Eintrag vom 29. Oktober 1942), dass auch Edith Holländer gläubig war; als Edith Anne ihr Gebetbuch gab, beschwerte diese sich, immer "so fromm-religiös" sein zu müssen, wie ihre Mutter es schätzte.7
Edith besuchte die private evangelische Viktoriaschule (Mädchengymnasium) in Aachen; hier erlangte sie 1916 ihren Schulabschluss. Edith galt als schüchtern und zurückhaltend.8
Otto Frank lernte sie am 16. Januar 1924 kennen und fühlte sich von seiner Fürsorge angezogen.9 Die Hochzeit fand am 12. Mai 1925 in der Aachener Synagoge statt.10
Die Familie Frank fühlte sich zwar mit den Traditionen der Juden verbunden, war jedoch nicht streng gläubig. 11 Kurz nach der Hochzeit zog Edith Frank zu ihrem Mann nach Frankfurt am Main.12 Die Hochzeitsreise verbrachten sie in San Remo in Italien.13
Am 12. Mai schrieb Otto Edith in einem Brief anlässlich ihres 14. Hochzeitstages: "An Wechselfällen unseres Schicksals hat es in den 14 Jahren unserer Ehe nicht gefehlt und wenn du die Zeit von San Remo bis heute durchdenkst, dann ermisst du da recht den Wandel, der sich in allem vollzogen hat. Doch haben die schwierigsten Situationen die Harmonie, die zwischen uns besteht, nicht stören können. Du hast von Anfang an eine Charakterstärke beweisen, wie man sie selten findet, ein Zusammengehörigkeitsgefühl, das die die Kraft gab, durch dick und dünn durchzuhalten. () Was die äußeren Umstände noch bringen werden, weiß niemand, dass wir uns aber nicht durch kleinlichen Zank und Streit das Leben verbittern, das wissen wir. Mögen die weiteren Jahre unserer Ehe sich ebenso harmonisch gestalten wie bisher."14
Am 16. Februar 1926 wurde ihr erstes Kind geboren, das den Namen Margot Betti erhielt.15 Der Zweitname Betti war ihr in Gedenken an die 1914 an einer Blinddarmentzündung gestorbenen Bettina Holländer gegeben worden, deren Verlust für die 14-jährige Edith sehr schmerzhaft gewesen war.16
Im Sommer des nachfolgenden Jahres bezog die Familie Frank ihre erste gemeinsame Wohnung im Marbachweg 307 in Frankfurt am Main17; bis zu diesem Zeitpunkt lebten sie im Elternhaus Ottos, welches sich in der Jordanstraße befand.18
Ediths Vater, Abraham Holländer, starb am 19. Januar 1927 im Alter von 66 Jahren.19 Zwei Jahre später, am 12. Juni 1929, wurde Anne, die zweite Tochter der Familie Frank, geboren. Im März 1931 zog die Familie Frank in die Ganghoferstraße 24.20 Aus wirtschaftlichen Gründen kehrte die Familie zwei Jahre später wieder in Ottos Elternhaus zurück.21
Nach Hitlers Machtergreifung emigrierte Otto Frank im Juli/August 1933 in die Niederlande; gleichzeitig übersiedelte Edith mit ihren Töchtern wieder nach Aachen.22 In den folgenden Monaten pendelte Edith zwischen Amsterdam und Aachen, fand aber im Dezember 1933 endlich eine Wohnung am Merwedeplein in Amsterdam für ihre Familie. Anne und Margot folgten den Eltern aber erst im Februar 1934 in die neue Wohnung, nach dem sie die Übergangszeit bei ihrer Großmutter in Aachen verbracht hatten.23 Die Familie Frank verließ Deutschland aufgrund der immer drastischer werdenden Judengesetze, die nun sogar die Trennung von jüdischen und nicht-jüdischen Kindern vorschrieben.24
IN den Niederlanden lebte sich Edith Frank nie richtig ein, sie fühlte sich nie wohl. Sie nahm sogar Niederländisch-Unterricht, doch vermisste sie die Freunde, Nachbarn und die Verwandten in Deutschland zu sehr, als dass sie in den Niederlanden hätte heimisch werden können.25
Von 1938 an konnte Edith ihre Mutter in Aachen nicht ehr besuchen, was ihr sehr schwer fiel. Die Sorge um die in Deutschland zurückgelassenen Familienmitglieder ließ erst nach, als Ediths Brüder in die USA fliehen konnten und Rosa Holländer zu ihrer Tochter und der Familie nach Amsterdam zog. Sie starb dort 1941.26
Wegen der wachsenden Ablehnung gegenüber Juden in den Niederlanden und dem Aufruf der SS für Margot Frank, tauchte die Familie am 6. Juli 1942 in der Prinsengracht 263, einem Hinterhaus, unter.27
Die Beziehung zwischen Anne und ihrer Mutter Edith war, vor allen Dingen im Hinterhaus, wo sie sich versteckten, schlecht. Anne fühlte sich von ihrer Mutter nie verstanden. Vor allem während Annes Pubertät, der Isolation im Hinterhaus und Annes Ambitionen (sie wollte Schriftstellering werden – Tagebucheintrag vom 5. April 1944), die einem normalen Hausfrauendasein, wie Edith es von ihr erwartete, entgegenstanden, kam es zwischen Anne und ihrer Mutter Edith sehr häufig zum Streit. Anne und Margot wurden von Edith modern erzogen, wobei diese ihre Töchter mehr als Freundinnen denn als ihre Töchter betrachtete.28 Anne missfiel diese Methode, da sie der Meinung war, dass "eine Freundin nicht die Mutter ersetzen kann". Anne grenzt sich aus diesen Gründen sogar von Edith und ihrer mütterlichen Liebe ab. Sie wollte in ihrer Mutter ein Vorbild sehen, keine Freundin.29
Edith las in ihrer Freizeit schon immer gerne Bücher, erst recht während der Zeit in der Prinsengracht. Dort ernte sie sogar Englisch in schriftlichen Kursen (Annes Tagebucheintrag vom 16. Mai 1944). Anne schreibt in ihrem Tagebuch am 8. Mai 1944: "Mutter war nicht so reich, aber doch auch wohl wohlhabend, und deshalb hören wir oft mit offenem Mund die Geschichten von Verlobungen mit 250 Gästen, und privaten Bällen und Diners."30 Edith Frank fühlte sich also in Gesellschaft wohl und war ein lebenslustiger Mensch. Diese Lebensfreude war im Hinterhaus jedoch sehr getrübt, denn die Helferin der Untergetauchten, Miep Gies, berichtete, Edith sei oft schwermütig und pessimistisch gewesen: "Keine noch so verheißungsvolle Meldung vermochte aber auch nur den leisesten Hoffnungsschimmer in ihr wecken."31
Kurze Zeit später tauchten noch vier weitere Personen in dem Haus, in dem sich Familie Frank befand, unter. Hermann van Pelz mit seiner Frau Auguste und seinem Sohn Peter, sie waren Otto Frank durch die Arbeit bekannt, so wie Fritz Pfeffer, ein alter Bekannter der Familie Frank und der Familie van Pelz.
Am 4. August 1944 wurde Familie Frank mit den weiteren vier Untergetauchten verraten und verhaftet. Zuerst wurden sie vom Amsterdamer Gefängnis am 8. August ins Durchgangslager Westerbork gebracht. Am 3. September erfolgte die Deportation nach Auschwitz mit dem letzten Zug. Frauen und Männer wurden bei der Ankunft getrennt; Edith und die Mädchen wurden in das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau gebracht.32
Im Konzentrationslager lernte Edith Rosa de Winter, eine Mitgefangene, kennen und freundete sich mit ihr an. Diese überlebte Auschwitz und erzählte Otto Frank von ihren Erinnerungen an Edith und ihre Töchter: "Wir trösten einander und werden Freundinnen, wir bereiten uns auf das schlimmste vor Edith und ich sind immer zusammen."33
Edith Frank erlag am 6. Januar 1945 in Auschwitz-Birkenau Hunger und Krankheit – wenige Wochen später wurde das Konzentrationslager befreit.34 Rosa de Winter erzählte auch, dass Edith nach hohem Fieber und Tagen auf der Krankenstation, wohin sie zuerst aus Angst vor der Vergasung nicht gehen wollte, entkräftet starb.35
Bloeme Evers-Emden war eine Bekannte aus Ediths Schulzeit, die sie in Auschwitz traf. Diese sagte über die Beziehung Ediths zu ihren Töchtern: "was man dem 'Tagebuch' vielleicht an Unfrieden entnehmen kann, das war durch die existentielle Not weggefallen, sie waren immer zu dritt und haben sich gegenseitig bestimmt viel Halt gegeben."36