Frieda Josephs geborene Weil
Sina Maslow und Sarah Ortwig, Herzogenrath
Frieda wurde am 20. April 1903 als viertes und jüngstes Kind der jüdischen Eltern Isidor Weil, ein Anstreichermeister, und seiner Frau Laura Weil, geborene Wersch, in Alsdorf geboren. Über ihre Kindheit und ihre Jugendtage liegen uns, außer dass sie in Alsdorf sesshaft war1, leider keine Informationen vor. Aus dem Heimatkalender des Kreises Heinsberg aus dem Jahre 1993 geht hervor, dass sie am 05. November 1926 in Alsdorf den am 02. April 1890 in Gangelt geborenen, ebenfalls jüdischen Albert Josephs heiratete. Dieser besaß mit seinem Bruder Hugo eine Immobilie in der Heinsberger Straße in Gangelt (Kreis Heinsberg). Hier befand sich im Erdgeschoss ihr Mitte der 20er Jahre gegründetes Textilgeschäft. In diesem Haus lebten die beiden Brüder mit ihren Frauen, die jedoch "Unfrieden ins Haus der Brüder [brachten]".2
Am 8. Oktober 1927 brachte Frieda Weil ihren einzigen Sohn Karl, den die Eltern auch liebevoll "Stümpke" nannten, zur Welt. Sowohl in Gangelt als auch in Alsdorf, woher ja Frieda stammte, sprachen viele Menschen den regionalen Dialekt, und vor allem die Sprache des Gefühls bedient sich ja oft dieser seit der Kindheit vertrauten Formulierungen; kleiner Stumpen oder auch Stumpf, darauf geht diese zärtlich-stolze Bezeichnung für ein kleines Kind zurück. Jüdische Familien waren in dieser Zeit besonders stolz auf einen Sohn in der Familie.
Vier Jahre später ließ sich Hugo seinen Anteil am Geschäft ausbezahlen und zog aufgrund der Streitigkeiten zwischen den beiden Partnerschaften mit seiner Frau nach Castrop-Rauxel.
Nachdem die Hitlerpartei am 30. Januar 1933 die Macht erobert hatte, trieb "eine zwar kleine, aber schlagkräftige Anhängerschaft"3 auch in Gangelt ihr Unwesen, somit begannen auch in dieser Gegend erste Aktionen zur Verdrängung jüdischer Bürger aus Führungspositionen.
Der Antisemitismus gehörte zu den grundlegenden Elementen der nationalsozialistischen Weltanschauung. Im September 1935 wurde die Verfolgung der Juden mit den "Nürnberger Gesetzen" auf eine gesetzliche Grundlage gestellt. Damit wurden die Juden im Reich Menschen zweiter Klasse. Dass auch die Familie Josephs von den folgenden Einschränkungen betroffen wurde, erfuhren wir von einer Zeitzeugin, die damals Verkäuferin bei Josephs war (siehe hierzu die Ausführungen in der Biografie Albert Josephs’).
Traurige Tatsache ist, dass das Geschäft der Josephs nach langer Observation durch die nationalsozialistische Gruppe in der "Kristallnacht" im November des Jahres 1938 zerstört wurde. Überall wurden danach wurden die Opfer dazu gezwungen, die Schäden selbst zu bezahlen. Friedas Bruder, Walter Weil (dieser überlebte die für die Juden schicksalhafte Zeit und starb am vor einigen Jahren in Brüssel), und sein Schwager, Herman Rosendahl, versuchten die Josephs aus den Ruinen ihres Lebens zu befreien und planten die Rettung der Familie nach Alsdorf. Allerdings endete ihr Weg bereits in Geilenkirchen, wo sie von der Gestapo aufgegriffen wurden und zum Geilenkirchener Bürgermeister gebracht wurden. Es erfolgte ein Verhör und alle Männer wurden verhaftet. Albert Josephs und Emil Hartog waren die einzigen beiden Gangelter Juden, die nach Sachsenhausen deportiert wurden.
Walter Weil nahm seinen Neffen Karl Josephs mit nach Köln. Frieda hingegen gelangte zunächst nach Aachen. In der Nacht vom 10. auf den 11. November 1938 brachte der Sohn der Familie Rosendahl, bei denen die Jüdin Unterschlupf gewährt bekommen hatte, Frieda zu ihrem wartenden Sohn und den Großeltern. Durch die hektische Flucht aus Gangelt waren ihr nur wenige Habseligkeiten übrig gebliebenen und somit reiste sie in zerschnittenen Kleidern und Pantoffeln nach Köln. Eine Schulkameradin Karls erzählt, dass Frau Josephs eine große, schlanke, mittelblonde Frau von großer Eleganz war…
Durch einen Alsdorfer Freund Walters, der als Nazifunktionär diente und für Walter seine Beziehungen ausnutzte, wurden Emil und Albert aus dem Konzentrationslager Oranienburg entlassen. Die wiedervereinte Familie kehrte bereits nach wenigen Tagen aus Köln nach Gangelt zurück. Aber ihr Haus war nach der "Arisierung" weit unter dem eigentlichen Wert verkauft worden. Die Familie durfte im Obergeschoss ihres einstigen Hauses nun noch als Mieter wohnen. Das für das verkaufte Haus erhaltene Geld erhielt Albert Josephs nicht. Es wurde auf ein Konto überwiesen und er bekam nur einen bestimmten Betrag im Monat ausgehändigt. Im März 1939 verließen die Josephs Gangelt und zogen zusammen mit Friedas Eltern aus Alsdorf nach Aachen.
Am 01. April 1941 wurden alle Aachener Juden in sogenannte "Judenhäuser" eingeliefert. Die Josephs lebten nun unter Juden im ehemaligen Obdachlosenasyl "Grüner Weg", dem größten und bekanntesten Judenlager in der Umgebung. Albert Josephs hatte die Hoffnung noch nicht aufgegeben und glaubte, dass der "Spuk bald vorüber sein müsse"4. Frieda hatte, als es noch möglich war, Deutschland verlassen wollen. Zwar konnte sie nicht wissen, welches Schicksal ihr und der nach Hitlers Ideologie beschriebenen "Rasse" in naher Zukunft noch bevor stehen würde, aber ihre Angst schien groß genug zu sein, um eine Emigration in Kauf zu nehmen. Doch ihr Mann wollte nicht in eine "ungewisse Fremde"5. Allerdings drückte er mit dieser Entscheidung keine Hoffnung aus. Auch er fühlte, dass die Veränderungen für die Familie als beunruhigend anzusehen waren. Seine Besorgnisse bezog er jedoch nicht auf seine Frau oder sich selbst. Albert wollte seinem Sohn ein möglichst lebenswertes Leben bereiten und fürchtete nun, dass dieses keine große Zukunft haben würde6.
Verwunderlich, was eine treue Angestellte, die die Familie einmal in dem Barackenlager besuchte, erzählt: Frau Josephs besaß kostbares Kristall, Gläser, Vasen und Anderes. Obwohl die Juden nur sehr wenige Habseligkeiten hatten mitnehmen dürfen, war es Frieda gelungen, eine Kiste mit diesen Kostbarkeiten zu behalten. "Ich denke, dass ich dies eines Tages wieder in Gangelt auspacken kann", sagte Frieda Josephs zu ihrer ehemaligen Angestellten…
Der Vernichtungstransport verließ Aachen am 15. Juni 1942 in Richtung Osten. Damit wurde Frieda mit ihrem nun fast 15jährigen Sohn nach Polen deportiert. Wahrscheinlich sind sie beide im Warschauer Ghetto ermordet worden.