Leopold Kaufmann
Haita Kaufmann, Aachen
Mein Schwiegervater Leopold Kaufmann wurde als zweiter Sohn des Metzgers und Viehhändlers Heinrich Abraham Kaufmann und seiner Frau Juliane, geborene Michel, am 3. Dezember 1878 in Kornelimünster geboren. Aus der Ehe seiner Eltern gingen insgesamt zwölf Kinder hervor. Leopolds Zwillingsschwester Eva verstarb im Alter von nur drei Monaten. Außer Leopold überlebten nur die älteren Brüder Alfred, der im Jahr 1876 geboren wurde, und Max, der im Jahr 1877 geboren wurde.
Leopold Kaufmann war von Beruf Viehhändler, und seine Hauswiese lag unterhalb des uralten Friedhofs an der Bergkirche. Der nur zum kurzfristigen Aufenthalt der Tiere benötigte Stall von Leopold Kaufmann lag in dem Ortsbereich, der auch den einfachen Betraum der kleinen jüdischen Gemeinde beherbergte. Die aus sechs Häusern bestehende Bausubstanz dieses Ortsbereiches war bereits 1930 dem Abbruch geweiht, um der heutigen Bundesstraße Platz zu machen. Leopold Kaufmann heiratete kurz nach 1900 in Kornelimünster Isabella Stern, die aus Algesheim im Rheingau kam. Das Fest wurde wahrscheinlich im Haus Giesen am Marktplatz ausgerichtet, genauso wie später die Bar-Mizwa seines einzigen Sohnes, meines Ehemannes, Max, geboren am 11. Januar im Jahr 1909, der nach dem Bruder meines Schwiegervaters benannt wurde.
Die Familie wohnte in dem Ziegelsteinhaus neben der Bäckerei Schürmann, das den Eheleuten Kaufmann gehörte und später in die Bäckerei Schürmann integriert wurde. Meine Schwiegereltern hatten immer einen Hund im Haus, zuletzt einen kleinen graubeigefarbenen Spitz.
Leopold Kaufmann hatte im Ersten Weltkrieg gedient und das Eiserne Kreuz für seine Tapferkeit erhalten. Ob er in Gefangenschaft geriet und wann er aus dem Krieg zurückkehrte, ist mir nicht bekannt. In Kornelimünster lebten die Menschen, egal, ob sie Juden oder Nicht-Juden waren, recht harmonisch zusammen. Ein heute noch augenfälliges Indiz dafür ist die enge räumliche Nachbarschaft von christlichem und jüdischem Friedhof im Umfeld der mehr als tausendjährigen Bergkirche. Um 1900 zählte die kleine jüdische Gemeinde um die 50 Personen.
Natürlich waren die jüdischen Familien aus Kornelimünster viel zusammen; Leopold Kaufmann und seine Frau machten jedoch auch Sonntagsnachmittagsausflüge unter anderem mit der christlichen Familie A. Wagemann.
Die Familie Kaufmann engagierte sich in der freiwilligen Feuerwehr des Ortes. Überhaupt war Leopold Kaufmann, der in Kornelimünster immer „Poldes“ genannt wurde, sehr beliebt in seinem Heimatort. Dies blieb so bis zum Ende. Er hatte den ärmeren Menschen immer etwas abgegeben, und so bekamen er und seine Frau Isabella in der Zeit, als es ihnen schlecht ging, heimlich immer etwas zu essen von den anderen Menschen aus dem Dorf gebracht.
Leopold Kaufmann war Deutscher. Deutschland war seine Heimat. Diese Einstellung hat sich auf meinen Mann Max übertragen, der selbst nach den schlimmen Erfahrungen der Jahre 1933-1945 wieder zurück nach Deutschland in das geliebte Kornelimünster wollte, um dort einen Bauernhof aufzubauen.
Als ich, seine Schwiegertochter, ein paar Wochen, nachdem ich seinen Sohn kennen gelernt hatte, meine zukünftigen Schwiegereltern kennen lernte, waren diese sehr lieb zu mir und außerordentlich froh darüber, dass ein jüdisches Mädchen die Braut ihres einzigen Sohnes war.
Leopold Kaufmanns Sohn Max war im Jahr zuvor aus Amerika zurückgekehrt, wo er zwei Jahre verbracht hatte, um sich mit dem Bereich der Herrenkonfektion vertraut zu machen. Aus Heimweh zurückgekehrt nach Aachen, arbeitete Sohn Max in der Konfektionsabteilung im Kaufhaus Tietz, dem Vorläufer des Kaufhofs am Markt in Aachen. Leopold Kaufmann war immer mit dem Berufswunsch seines Sohnes einverstanden gewesen und erwartete nicht, dass er seinen Viehhandel übernehmen würde. Der Viehhandel hatte sich im Vergleich zu früher stark verändert. Es kam bereits vor, dass mein Schwiegervater gemeinsam mit seinem Sohn Tiere mit dem Auto transportierte.
Als sein Sohn Max einen Tag nach unserer Hochzeit am 15. Dezember 1938 schwarz über die Grenze nach Belgien ging und ich, für die mein Schwiegervater wirklich so etwas wie ein Vater war, wenig später folgte, war dies sehr schlimm für ihn. Glücklich war er aber darüber, dass den Kindern nun nichts mehr passieren würde.
Er hatte seinem Sohn die Werte Ehrlichkeit, Treue und Anständigkeit mit auf den Weg gegeben.
Leopold Kaufmann wurde am 25. März 1941 in das sogenannte Judenhaus Eupener Straße 249 zur Familie Ganz gebracht und wahrscheinlich am 18. Juni 1941 von dort aus in die Harscampstraße und später in die Lochnerstraße 43. Schließlich kam er zum Lager Grüner Weg und wurde von dort aus in den Osten, vermutlich nach Izbica, deportiert.
Leopold Kaufmann kehrte niemals zurück und wurde am 11. August 1955 für tot erklärt. Als Todeszeitpunkt wurde der 31. Dezember 1945 beim Standesamt der Gemeinde Kornelimünster eingetragen.