Der Tod ihres Mannes war Johanna Offermanns Todesurteil

von Gerald Elmer

Aachen: „Mischehe“ in der NS-Zeit

Vor 80 Jahren wurde eine der letzten Aachener Jüdinnen deportiert: Johanna Offermann. Die Nazis haben sie verschont, solange ihr katholischer Ehemann lebte.

Wie bedrohlich der nationalsozialistische Rassenwahn auch für die Aachenerin Johanna Offermann war, dürfte ihr spätestens im Januar 1939 klar geworden sein. Da musste sie zum Standesamt und zusätzlich den Namen „Sara“ annehmen.

Aufgrund der 1938 erlassenen Namensänderungsverordnung war sie somit gezwungenermaßen ab sofort als Jüdin gekennzeichnet. Alle jüdischen Frauen mussten den Zusatznamen „Sara“ annehmen und im Schriftverkehr verwenden, alle jüdischen Männer den Zusatznamen „Israel“.

Zu diesem Zeitpunkt war Johanna Offermann schon mehr als drei Jahrzehnte lang mit ihrem katholischen Ehemann Louis Offermann verheiratet und hatte ebenso lange den katholischen Glauben angenommen. Heute vor 80 Jahren – am 28. Oktober 1943 – wurde sie als eine der letzten Aachener Jüdinnen nach Theresienstadt deportiert. Nur wenige Monate später wurde sie in Auschwitz ermordet. Sie wurde 65 Jahre alt.

Die Aktiven des Gedenkbuchprojekts [Aachen](https://www.aachener-zeitung.de/themen/aachen), das die Erinnerung an die von den Nazis verfolgten Aachener und Aachenerinnen wachhält, lenken mit ihren Recherchen damit den Blick auf das Schicksal der Menschen in „Mischehen“. Mit diesem Begriff diskriminierten die Nationalsozialisten ab Mitte der 1930er Jahre Ehen zwischen sogenannten Ariern und Juden. „Rassenschande“ wurde ihnen unterstellt.

Welchen Anfeindungen das Ehepaar Offermann mit dem Aufstieg der Nazis ausgesetzt war, ist heute nicht mehr nachzuvollziehen. Es gibt nur spärliche Zeugnisse über ein denkbar unauffälliges Leben: Er wurde am 14. März 1866 in Aachen geboren, sie kam am 7. Januar 1879 als Tochter jüdischer Eltern in Bickern, heute Wanne-Eickel, zur Welt.

Wann und wie sie nach Aachen kam, ist unklar. Sie lebte zunächst in der Krefelder Straße, ihr beruflicher Stand wird zum Zeitpunkt der Heirat mit dem Schreinermeister Louis Offermann im Jahr 1906 als „gewerbelos“ angegeben. In alten Adressbüchern ist zunächst kein Hinweis auf den Wohnort der Beiden zu finden. Möglicherweise habe das Paar anfangs bei Louis‘ Vater in der Ottostraße gewohnt, mutmaßt Wilma Hoekstra-von Cleef, eine der Autorinnen des Gedenkbuchprojekts. Später zogen sie in die Jülicher Straße 150. Ein eigenes Haus hatte das kinderlose Paar nicht, zu „arisieren“ gab es daher wohl auch nichts.

Das mag beide vor einem Zwangsumzug in sogenannte Judenhäuser bewahrt haben, wie Hoekstra-von Cleef spekuliert. Denkbar aber auch, dass sie aufgrund der schweren Herzleiden von Louis Offermann zunächst unbehelligt blieben. Er starb nach längerem Leiden am 11. Oktober 1943 – sein Tod war zugleich das Todesurteil für seine Frau. Der relative Schutz, den die „Mischehe“ bis zu diesem Zeitpunkt anscheinend noch bieten konnte, war endgültig verloren.

Nur wenige Tage später ist Johanna Offermann verhaftet worden, das genaue Datum ist nicht bekannt. Bereits am 28. Oktober saß sie als einzige Aachenerin mit 21 weiteren Personen aus dem Rheinland in einem Transportzug von Köln ins sogenannte Ghetto Theresienstadt, wo sie zwei Tage später ankam. „Es war nur der Vorhof zur Hölle“, wie Hoekstra-von Cleef festhält. Am 15. Mai 1944 wurde sie schließlich ins Vernichtungslager Auschwitz gebracht und ermordet.

Den Unterlagen zufolge sind Johannas Bruder Alexander und dessen Frau Rosa bereits 1942 aus Düsseldorf nach Theresienstadt verschleppt worden. Rosa starb dort, Alexander wurde ebenfalls am 15. Mai 1944 nach Auschwitz deportiert und ermordet. Ob sich die Geschwister noch gesehen haben, weiß niemand.

Quelle: Aachener Zeitung, 28.10.2023